Enorme Vielfalt lokaler Kunstschaffender
Frischer Wind weht in Waldsees Künstlerszene – und durch die Waldseer Gassen
veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 04.04.2022
Man könnte problemlos den Begriff Leistungsschau der Kunst verwenden, um Vielfalt und Qualität des künstlerischen Schaffens von Waldseer Bürgern auf den Punkt zu bringen. Doch ganz gerecht wird der Leistungsgedanke dem ersten Waldseer Künstlersonntag nicht, war es doch vielmehr ein vergnügliches und entspanntes Begegnen der Besucher mit den Musikern, Malern, Bildhauer und Literaten. Beim mehrstündigen Gang von Ausstellungsraum zu Vortragsort und Konzertbühne traf man Alt und Jung, Menschen die trotz der recht kühlen Temperaturen allesamt froh waren, dass mit dem Waldseer Künstlersonntag eine Plattform geschaffen war, um das Leben im Städtle mit Genuss zu erleben.
Im Seenema hatte man das Glück, dass der dort ausstellende Künstler Karl J. Schaefer persönlich seinen Wandel von der figürlichen zur abstrakten Malerei erläuterte. Er nahm die Zuhörer tief mithinein in seinen Schaffensprozess und verriet, dass er durchaus dem Betrachter Rätsel aufgeben möchte, wie in dem Tryptichon „de passione“, das prominent im Foyer des Seenema hängt. Hier hatte auch Veronika Degler vom Faro Theater ihre Wundertrommel aufgebaut, in der die Bilder laufen lernten.
Kunst satt gab es im Kreuzgang des Verwaltungsgebäudes in der Hauptstraße. Mit Rainer Klass, Alexandra Gebhart, Sandra Müller, P. Ariane Ehinger und Kornelia Wigh hatten sich fünf Künstler zusammen gefunden, die den Besuchern eine interessante Vielfalt aus gegenständlicher Malerei, geometrischen Farbstrukturen, Papiercollagen und organischer Holzplastiken präsentierten. Gebhart erklärt im Gespräch mit der SZ, dass die gezeigten Werke erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden und sie auf die Reaktionen der Besucher gespannt ist. Eine stilvolle Location hatte sich Marion Piller ausgesucht. Im Entenmoos, im Gemäuer der historischen Badstube – jetzt Salon Rizzi – waren die „Kopfgeburten“, also die Werke, der Künstlerin an den Wänden verteilt. Die Gastgeber luden die Gäste bei heißen Kaffee und selbstgemachten Kuchen zum gemütlichen Verweilen ein.
Nicht sehen, sondern Hören war gleich an mehreren Stationen angesagt. In der Bücherei war es der Waldseer Wolfgang Mach der Freunde der literarischen Vereinigung Signatur e.V. eingeladen hatte, Auszüge aus ihren Werken zum Besten zu geben. Die 25 Sitzplätze waren schnell belegt und nach einer musikalischen Impression von Anika Zell und Jule Rehm auf der Querflöte zeigten Dorothea Neukirchen, Manfred Aumiller und Diemut M. Bek ein breites Spektrum. Da waren die humorigen Kurzgeschichten Neukirchens über ein Einkaufserlebnis in Verona, während Aumiller mit Auszügen aus „Fred – Ein Leben aus den Fugen“ autobiographische Einblicke gewährte. Ganz anders nochmals Bek, die mit ihrem Kinderbuch „Schiller Wolkenkind“ ein Vorlesebuch um das Thema Wasser und Farben vorstellte. Auch Hubert Leißle hat vorgelesen. Er hat eine Geschichte über historische Waldseer Persönlichkeiten geschrieben, die ihn allesamt in den Rauhnächten heimsuchen. Zu den Lesungen des bisher unveröffentlichten Stoffs kamen am Sonntagnachmittag 50 Zuhörer ins Kornhaus. Beim Gang von Kunstort zu Kunstort war im Angesicht der frischen Temperaturen der Glühmost von Czardas-Wirt Tancay Caba eine ausgesprochen gute Idee, wie Andi aus Waldsee feststellte. Die einen tranken Glühmost, die anderen saßen dick eingemummt im Sonnenschein und hörten dem Chor Reutissimo zu, der auf der Hochstatt sein Repertoire vorstellte. Ebenfalls auf der Hochstatt spielten zeitversetzt die drei Jungs von The Lorbank collective einen ansprechenden Folk-Rock mit zwei Akustikgitarren, der auf jeden Fall hörenswert war. Nochmals Musik gab es auf dem Rathausplatz mit Mr. Faboulos & friends. Das Duo aus Fabian Mroz und Steffi Waller hatten deutschsprachige Titel im Repertoire, die mit humorigen Texten die Schönheitschirurgie, die Makrele oder das süße Häschen besangen. Warm war es trotz Sonnenschein nicht und so kämpfte Waller tapfer gegen die vor Kälte klammen Fingersitzen.
Fingerfertigkeit hingegen bewies der Zauberer Mirakuli vor dem Rathaus, der sogar Bürgermeister Matthias Henne und dessen Familie in Erstaunen versetzte. Mit dem ersten Waldseer Kultursonntag präsentierte sich eine äußerst vielfältige Waldseer Kunstszene. Walter Gschwind, Fachbereichsleiter Wirtschafts- und Kulturraum in Bad Waldsee spricht am Ende des Tages begeistert von „einer rundum gelungenen Premiere“, bei der an allen Orten rundum zufriedene Gesichter zu sehen waren. Die vielen unterschiedlichen, teils sonst privaten locations, die man beim Kunstrundgang besuchte fand Gschwind spannend.
Schreibe den ersten Kommentar