Tannhausen war kultureller Hotspot am Sonntagnachmittag
Das Privileg der Waldseer bei Umanand
veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 06.09.2021
Die Organisatoren der Umanand Tour hatten für den Streckenverlauf eine große Masche gewählt, die im Südosten bis nach Wolfegg und im Nordwesten bis nach Aulendorf reichte. Relativ zentral lag Bad Waldsee, so dass man von der Kurstadt aus problemlos zwei Radtouren machen konnte, um möglichst viel von der Umanand Kulturvielfalt zu erleben. „Ein Privileg für Bad Waldsee“, erkannte Christine Hölbling gegenüber der SZ. Unterwegs traf man auf nicht wenige Radfahrer, die sich am Samstag die Schleife über das topografisch anspruchsvolle Allgäu gemacht hatten (die SZ berichtete) und am Sonntag die recht flache und einfache Route über Aulendorf wählten.
Vom Startort Bad Waldsee ließ sich die Nordwestroute nach einer direkten Fahrt durch den Durchhau sehr gut in Angriff nehmen. Pünktlich um 14 Uhr standen die Sängerinnen vom Kirchenchor Reute unter der Leitung von Bernadette Behr am Brunnenplatz und ermunterten die ankommenden Radler mit dem Gospel „Good new´s chariot´s coming“ für die nächsten Kilometer. Über sanfte Wellen führte die Route nach Norden. Am Gut-Betha Bildstock kurz vor Untermöllenbronn wartete auf der einen Seite der Straße die Märchenerzählerin Dora Dipfele auf aufmerksame Zuhörer. In Wiese auf der anderen Straßenseite bot sich das seltene Naturschauspiel von 30 Störchen auf Futtersuche. Kaum mehr ein Durchkommen war auf der kleinen Straße in Eisenfurt. Rund 50 Radfahrer machten hier Halt, denn in einem kleinen Hof warteten Barny Bitterwolf und Karsten Feist. Barny, bekannt als Universalmusiker und eloquenter Moderator unterstützte den Jongleur und Einradfahrer Karsten musikalisch, so dass die Zuschauer kurzweilige Vorführungen zu sehen bekamen. Auch in Aulendorf wurde die Kreuzung beim IrReal kurzzeitig zur verkehrsberuhigten Zone, denn solange Daniel Earl Unger mit Gitarre und Mundharmonika seinen unverkennbaren Blues spielte, stoppten die meisten Radler. Auf dem Weg zum Stege hat Joachim Haas eine Freiluftgalerie aufgebaut, in der aktuelle Bilder von Meer und See, von Côte d´Azur und Bodensee gezeigt wurden. Ein klein bisschen stärker strampeln muss man bis hinauf nach Tannhausen, doch dafür erwartet die Radler eine ausgesprochene kulturelle Vielfalt. Mit ästhetischer Partnerakrobatik begeistert das Theatro Artistico. Veronika Degler erklärt mit ihrem Faro Theater alles was man schon immer über Bienen wissen wollte, während in der Klemmbausteinwelt von Bernd Munding Legozüge ihre Runden drehen. Der Musikverein Tannhausen spielt „Mein Tiroler Land“ und beschwingt treten die Radler wieder in die Pedale. Noch bevor die Strecke ins Ried hineinführt wird man jedoch mit einer Ladung sattem Rock´n Roll überschüttet. Die vier Jungs der Tannhauser Band Alegra haben die richtigen Riffs und Rhythmen im Griff. Mit „Johnny be good“ oder „What you´re proposing“ ging die musikalische Reise einige Jahrzehnte zurück. Nach einer langen Passage auf Schotterwegen durchs Ried erreicht man schließlich wieder Bad Waldsee, für viele bereits der Zielpunkt. Folgt man aber der Umanand Route trifft man an prominenter Stelle unter der Kastanienallee hinter dem See auf die Drehorglergruppe Bad Waldsee. Ein Hauch von Nostalgie, der die Zeit für einen Moment still stehen lässt, während die goldene Herbstsonne durch die Kastanienbäume scheint. Für die Künstler sind vier Stunden Präsenz eine lange Zeit. Als Radfahrer muss man sich ganz schön ranhalten, will man auf der gewählten Teilschleife möglichst viele Kulturstationen erleben. In diesem Fall muss man das gemütliche Zusammensitzen auf die Zeit nach der Umanand Tour verschieben.
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