Allein unter Schweizern
Schwingfest auf der Schwägalp – ein faszinierendes Rendezvous mit dem Schweizer Nationalsport
eine ausführliche Fotodokumentation gibt es hier
Schwägalp (dhe): Wochenende für Wochenende locken die Schwingerwettbewerbe tausende Schweizer in die Arenen. Beim Schwägalp-Schwinget waren es sogar weit über 13-tausend Besucher, die den Weg hinauf auf den Pass am Fuße des Säntis fanden. „Ein neuer Rekord“ erklärt Valentin Hörler vom Organisationskomitee gegenüber den Pressevertretern. Beim Schwingen handelt es sich um den Schweizer Nationalsport schlechthin und dementsprechend sind die Nichtschweizer Besucher eine absolute Rarität.
Als Angehöriger eines fremden Kulturkreises empfiehlt es sich, im Vorfeld ein bisschen Zeit zu investieren. Die Internetseiten des Eidgenössischen Schwingerverbandes (www.esv.ch) und der Fachzeitschrift Schlussgang (www.schlussgang.ch) bieten einen guten Einstieg, auch wenn die Vielfalt der Schwünge und Griffe weiterhin ein Buch mit sieben Siegeln darstellen wird.
Was kann man also erleben, wenn man sein erstes Schwingerfest besucht? Um es kurz zu machen, sehr, sehr viel. Wettkämpfe die einem im Laufe des Tages wie ein Strudel immer mehr faszinieren und eine, zugegebenermaßen klischeehafte, Präsentation von Schweizer Folklore. Ein gewisses Maß an Eigeninitiative muss man allerdings schon mitbringen, wenn man ein Bergschwingfest wie auf der Schwägalp besuchen möchte. Um 6:00 Uhr in der Früh öffnen sich die Einlasspforten der Arena und der Zelte und schon bald danach sind die beiden großen Festzelte voll besetzt mit Schwingerfans, die sich zum geselligen Frühstück einfinden. Die Geselligkeit ist wohl neben den sportlichen Wettkämpfen einer der Hauptgründe für die enorme Besucherresonanz in der Bevölkerung –man kennt sich, reist als Gruppe an oder hat sich mit Freunden verabredet.
Pünktlich um 8:30 Uhr geht es dann los mit den Schwingwettbewerben. Der Wettkampf ist in insgesamt 6 Gänge eingeteilt. Insgesamt sind rund 90 Schwinger zum Wettkampf gekommen. Wer gegen wen kämpft liegt einzig und allein in der Entscheidungsbefugnis der Kampfrichter. Ein Umstand, der dem Wettkampf zusätzliche Spannung verleiht, denn erst unmittelbar vor Beginn eines Ganges werden die Paarungen vom Kampfgericht festgelegt. Auf eine gewisse Ausgewogenheit bei der Leistung der Schwinger wird geachtet, zumal dies auch der Attraktivität der Kämpfe für die Zuschauer dient. Die Stimmung bei den ersten beiden Gängen ist noch recht verhalten. Dies ändert sich aber im Laufe des Tages und bei den beiden letzten Gängen knistert die Arena vor Spannung. Die Duelle der Schwinger sind ganz unterschiedlicher Art. Mal geht es eher unspektakulär zur Sache. Da wird gedrückt und geschoben und ein ums andere Mal muss der Kampfrichter die beiden Schwinger wieder im Zentrum des Sägmehlringes neu platzieren. Andere Schwinger machen der Sportbezeichnung alle Ehre. Da wird der Gegner immer wieder mit viel Elan durch die Luft gewirbelt und in das Sägmehlbett geworfen, damit dieser auf seinen beiden Schultern zu liegen kommt – dann wäre nämlich der Gang gewonnen. Dies gelingt aber eher selten. Mit einer unglaublichen Wendigkeit schaffen es die Schwinger sich noch während des Fallens auf den Bauch zu drehen und aus dieser scheinbar unterlegenen Position neue Attacken zu lancieren. Sanftmütig geht es dabei nicht zu, beim einen oder anderen Schwinger blickt man in schmerzverzerrte Gesichter aus denen bisweilen auch mal Blut tropft. Der Schwingsport ist eine Mischung: zum einen aus einer faszinierenden Wendigkeit, die man bei den muskelbepackten Schwingern auf den ersten Blick gar nicht vermutet; zum anderen sind da die kräftestrotzenden Positionskämpfe um jeden Zentimeter, um den man den Gegner in eine ungünstigere Lage versetzen möchte oder die eigene missliche Lage verbessern möchte.
Gegenläufig zum kraftstrotzenden, teilweise archaischen Kampf ist das musikalische Begleitprogramm. Während die Schwinger das Sägmehl auf den drei Schwingplätzen durch die Luft wirbeln singt der Jodlerklub Schwarzenbach Huttwil seine Weisen, die über die Lautsprecheranlage die gesamte Arena erfüllen. Die Streichmusik Alder Urnäsch tut es den Jodlern gleich und versteht es mit sehr gefälligen Takten der Wuchtigkeit der Kämpfe eine musikalische Leichtigkeit gegenüber zu stellen.
Die sechs Gänge ziehen sich über den ganzen Tag hin. Langweilig wird es jedoch nie. Das Organisationskomitee hat ganze Arbeit geleistet. In den großen Zelten wird rund um die Uhr bewirtet. Während der Mittagspause gibt die riesige Helferschar tausende Essen aus. Folkloredarbietungen zwischen den einzelnen Gängen gehören genauso dazu, wie die Vorführung der sogenannten Lebendpreise. In der Tat ist es ein beeindruckendes Bild als der Zuchtstier Fernando von seinem Besitzer Ueli Frick am Nasenring durch die Arena geführt wird.
Gegen 17:00 Uhr ist es soweit, Daniel Bösch und Thomas Sempach stehen als Punktbeste nach sechs Gängen fest und werden den mit Spannung erwarteten Schlussgang (das Finale) bestreiten. Der Lokalfavorit Daniel Bösch wird vom Publikum mit lauten „Dani“-Rufen angefeuert. Aus einer verzwickten Situation rettet er sich mit viel Mühen an den Rand des Sägmehlplatzes. Und plötzlich geht alles ganz schnell – mit einem schnellen Wurf aus einer leichten Drehung heraus bringt Bösch seinen Gegner zu Boden und dank blitzschnellen Einsatzes des gesamten Körpergewichtes auch die Schulterblätter von Sempach ins Sägmehl. Der Schlussgang ist nach knapp sechs Minuten entschieden.
Was kann man am Ende noch sagen? Es ist eine logistisch enorm aufwändige Veranstaltung, die jedoch bestens organisiert war. Der sportliche Wettkampf zieht einen in den Bann und es ist durchaus verständlich, dass Schwingerfeste in der Schweiz eine ungebrochene Popularität genießen. Von Vorteil ist es unbedingt, wenn man das Schweizerdeutsch versteht, um den durchaus interessanten Ausführungen des Stadionsprechers folgen zu können.
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