Waldsee und Aulendorf – ein bisschen Wirrwarr um die gemeinsame Grenze
Möllenbronn-Schule könnte Klarheit bringen
Veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 03. Juli 2021
Auf der unscheinbaren Brücke über die Steinacher Ach treffen sich spielende Kinder, die Bewohner von Tannweiler fahren über sie mit dem Auto zur Landstraße und die Radtouristen steuern das Ried oder Eisenfurt an. Doch an dieser Brücke beginnt auch ein Zuständigkeitswirrwarr über das eine aufmerksame Zeitgenossin gestolpert ist. Da stimme doch was nicht, wenn Bewohner von Bad Waldsee nur über die Aulendorfer Telefonvorwahl zu erreichen sind, klang es fragend. So kurios das klingt, dafür gibt es noch eine recht einfache Erklärung, wie eine Nachfrage bei der Bundesnetzagentur zeigte. Hingegen förderten die weiteren Recherchen um die Grenze zwischen Aulendorf und Bad Waldsee teils Erstaunliches und Kurioses zutage.
Es ist also so, dass Ober – und Untermöllenbronn zu Bad Waldsee gehören und Tannweiler zu Aulendorf gehört – wobei es gerade vor Ort gar nicht so einfach ist, die Grenze zwischen den beiden zusammengebauten Teilorten festzustellen. Am einfachsten geht es noch auf der bereits erwähnten Brücke über die Steinacher Ach, denn dort steht ein gelbes Ortsschild auf dem auf einer Seite Tannweiler und auf der anderen Seite Untermöllenbronn steht. Also alles klar.
Doch warum die Grenze genau hier verläuft erschließt sich erst bei etwas historischer Recherche. Kompetenz in Sachen Grenzen findet man im Landratsamt Ravensburg, konkret beim Vermessungsamt. Amtsleiter Stefan Obermeier öffnet für die SZ das Archiv und zeigt Karten die 200 Jahre zurück in die Vergangenheit reichen. Damals wurde das gesamte Königreich Württemberg aufs Genaueste vermessen erklärt Obermeier. Natürlich gab es auch davor schon Grenzen. Auf der einen Seite stößt man auf die Grafen zu Königsegg und auf der anderen Seite sind die Fürsten Waldburg-Wolfegg-Waldsee. Später gehörte dann Tannweiler zur Gemeinde Tannhausen und Untermöllenbronn zur Gemeinde Reute und erst nach der Verwaltungs- und Gemeindereform kamen dann die Städte Bad Waldsee und Aulendorf ins Spiel. Reute kam 1971 nach Bad Waldsee und Tannhausen 1972 nach Aulendorf. Schaut man sich die rund 200 Jahre alten Urkarten genauer an, so entdeckt man bereits auf ihr die Brücke über die Steinacher Ach und auch den Grenzverlauf zwischen den Gemarkungen Tannweiler und Untermöllenbronn. In Tannweiler gab es zwölf Höfe während die andere Bachseite noch völlig unbebaut war. Aulendorf und Bad Waldsee spielten seinerzeit in dieser Ecke keine Rolle, dafür waren jedoch die Weiler Eisenfurt und Magenhaus noch eigenständige Gemarkungen. Für schulische Bildung ihrer Kinder taten sich um 1904 Tannweiler, Greut, Eisenfurt, Magenhaus und Untermöllenbronn zusammen, um gemeinsam ein Schulhaus an einer zentraler Stelle zu errichteten. Es steht noch heute, wird aber inzwischen von Rainer Schnell bewohnt.
Es ist in der Tat so, die zwölf Häuser, die hier am westlichen Ende der Tannweiler Straße rund um das alte Schulhaus stehen, gehören zwar nach Bad Waldsee, aber telefonisch sind wir nur über die Aulendorfer Vorwahl erreichbar, bestätigt Schnell. Der Grund dafür ist banal, wie eine Nachfrage bei der Bundesnetzagentur ergibt. Die Telefonnetze wurden in den 50er und 60er Jahren ausgebaut und man suchte möglichst kurze Kabel von den Hausanschlüssen zu den Netzknoten. Und der Netzknoten, von dem aus die besagten zwölf Häuser und der Waldseer Ortsteil Magenhaus versorgt werden, befindet sich seitdem in Tannweiler. Das hat, abgesehen von der Telefonvorwahl inzwischen auch konkrete Nachteile berichtet Schnell. Denn beim Thema schnelles Internet für die Bewohner rund ums alte Schulhaus fühlt sich weder Aulendorf noch Bad Waldsee zuständig.
Man merkt es wahrscheinlich auch beim Lesen, es ist durchwegs schwierig, die betroffenen Häuser eindeutig zu benennen. Ein ganz praktisches Alltagsproblem für die Bewohner, wenn es um Adressangaben für Lieferdienste und Freunde geht. Eine eigenständige Bezeichnung wäre hilfreich findet Schnell. Ein Vorschlag des Autors wäre ganz pragmatisch „Möllenbronn-Schule“. Pragmatisch funktioniert glücklicherweise auch der Winterdienst, der beim Schneeräumen nicht mitten auf der Brücke stoppt. Und auch für die Grundschulkinder beider Teilorte gibt es eine gute Lösung, sie werden mit dem Schulbus nach Reute gefahren. Hingegen sei die Kanalisation klar getrennt, heißt es vor Ort. In Tannweiler müsse jeder Bewohner sein Abwasser mit einer eigenen Pumpe auf den Weg zur Aulendorfer Kläranlage schicken. Besser dran seien dagegen die Bewohner in „Möllenbronn-Schule“, denn zunächst fließt ihr Abwasser in eine Freispielgelleitung, bevor es zur Kläranlage in Bad Waldsee nach Bad Waldsee gepumpt wird. Und auch bei der Post kenne man die Grenze, die auch die Zustellbezirke markiere.
Dass man über dem ganzen Grenzwirrwarr auch stehen kann, demonstriert der Elternverein Tannweiler-Möllenbronn. Ein Sommerfest auf dem Schulsportplatz zählt zu den Vereinsaktivitäten, genauso wie Umzugsteilnahmen an der Fasnet, in der mit dem nicht unbekanntem Narrenruf „Mölle Mölle – Tann Tann“ die Grenze endgültig überwunden wird.
Die Kirchen:
Ein ziemlich eigenständiges Leben führen die Abgrenzungen der katholischen Kirchengemeinden. Passen die Zuständigkeiten zwischen Aulendorf und Bad Waldsee bei Tannweiler mit den politischen Grenzen überein, geht es im Ried doch recht munter hin und her. Das Herdtle, das Rote Haus und Lippertsweiler liegen auf dem Gemeindegebiet von Aulendorf, werden aber von der Seelsorgeeinheit Bad Waldsee betreut und zwar das Rote Haus von St. Petrus und Paulus in Reute, das Herdtle von St. Petrus in Bad Waldsee und Lipperstweiler von St. Johannes Evangelist in Michelwinnaden. Andersrum geht es aber auch. Elchenreute gehört nämlich zur Stadt Bad Waldsee, für die kirchlichen Belange ist aber St. Martin in Aulendorf zuständig. Fast vorbildlich an die politischen Gemeindegrenzen hält sich die evangelische Kirche. Lediglich der Wohnplatz Erlen im Schussental geht fremd. Er liegt auf Bad Waldseer Stadtgebiet, bei protestantischen Glaubensfragen ist aber die Thomasgemeinde in Aulendorf zuständig.
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