Höhenfestpunkt

Technischer Höhenreferenzpunkt als Zeitzeuge

Amtliche Höhen für Jedermann im Höhen-Shop

veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 22.11.2021

Die Stadt Ravensburg hat vor kurzem mit großer medialer Resonanz eine gusseiserne Plakette aus der Zeit des Nationalsozialismus vom Blaserturm entfernen lassen. Diese überhastet durchgeführte Aktion erfolgte ohne vertiefte Kenntnisse über die Geschichte und die nach wie vor bestehende technische Notwendigkeit dieser Plakette bis in die heutige Zeit. Bei der Plakette handelte es sich um einen sogenannten Höhenfestpunkt erster Ordnung.

Da es auch in Bad Waldsee noch einen vergleichbaren Höhenfestpunkt gibt, möchte die Schwäbische Zeitung ein paar Fakten rund um diesen Höhenfestpunkt, der in der Zeit der NS Herrschaft mit einer gusseisernen Plakette gekennzeichnet wurde beleuchten. Zur exakten Definition von Lagekoordinaten und Höhenangaben gibt es in Deutschland Punkte die übergeordnete Bedeutungen haben. Im Fall der abgebildeten Plakete handelt es sich um einen Höhenfestpunkt der 1. Ordnung. Das heißt der Punkt gehört bezüglich der Genauigkeit zu den am besten bestimmten Punkten. Er hat auch einen Namen und natürlich eine Höhe. Es ist der Höhenfestpunkt Nummer 8024900011 und seine exakte Höhe beträgt 587,109 Meter. Die Genauigkeit dieser Höhenangabe stimmt auf +- 2 Millimeter. Da der Höhenfestpunkt eine Höhe von annähernd 600 Metern besitzt, muss es auch einen Punkt geben, der genau die Höhe Null besitzt. Dieser Punkt ist in Amsterdam, bekannt als der Amsterdamer Pegel. Dieser absolute Höhennullpunkt lässt sich übrigens bei einer Reise nach Amsterdam besuchen. Warum es überhaupt Höhenfestpunkte braucht, hat Christoph Gebert vom Vermessungsamt in Ravensburg der Schwäbischen Zeitung erläutert. Bei allen Baumaßnahmen ist der Bezug zu einer Referenzhöhe notwendig, die landesweit gültig ist und die über viele Jahre hinweg konstant bleibt. Damit diese Referenzhöhen auch für die Allgemeinheit nutzbar sind, wird sie an vielen Orten öffentlich zugänglich bereitgestellt. Dies erfolgt durch die Höhenfestpunkte, an denen sich quasi jedermann – sofern er die nötige Sachkunde hat – bedienen kann. Eine Höhe lässt sich durch eine spezielle Messmethode, das Nivellement, an den Ort bringen, an dem man sie braucht. Also dürften nahezu alle innerstädtischen Baumaßnahmen in Bad Waldsee ihre Höhe von dieser Plakette erhalten haben. Gebert bezeichnet diese Bereitstellung der Höhe salopp als Höhen-shop, da die Höhenbolzen keinen Selbstzweck haben, sondern eine Dienstleistung für die Allgemeinheit darstellen. Verantwortlich für die Genauigkeit der Punkte ist übrigens das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung, das seinen Sitz in Stuttgart hat.

Ein Blick auf die Geschichte kann nicht schaden. Überregionale Höhenfestlegungen sind schon seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Als dann im 19. Jahrhundert mit dem Bau der nationalen Eisenbahnnetze begonnen wurde, entstand auch die Notwendigkeit nach national einheitlichen Referenzpunkten. Dem aufmerksamen Reisenden ist sicherlich schon aufgefallen, dass an fast allen historischen Bahnhofsgebäuden auch Höhenpunkte an der Fassade markiert sind. Da die Erde nicht statisch stabil ist, sich manche Gebäude bewegen und die Messtechniken und Messgenauigkeiten auch im Laufe der Zeit verbessert wurden, lag es in der Natur der Dinge, dass die Höhenpunkte in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden mussten und mit genaueren Höhen versehen wurden. Eine derartige Messaktion gab es auch zu Zeiten des NS Regimes, zumal es auch erforderlich war, für den landesweiten Autobahnbau verlässliche Referenzhöhen zu besitzen. Die neueste Messaktion, bei der auch Höhenpunkt 8024900011 kontrolliert wurde, war im Jahr 2007.

Bei der Messaktion der Nationalsozialisten wurde, dem Zeitgeist entsprechend, alles was amtlich und hoheitlich war, repräsentativ ausgeschmückt und mit Hoheitszeichen versehen, um die Wichtigkeit zu unterstreichen. Bis auf das Hakenkreuz im Eichenlaubkranz ist die Höhenmarkierung noch original erhalten und erinnert als stummer Zeitzeuge an einen Teil deutscher Geschichte.

Die Höhenmarke ist jedoch kein museales Denkmal, sondern hat ihre Funktion als öffentlich zugängliche Referenzhöhe für private und öffentliche Bauvorhaben bis heute unverändert beibehalten.

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