Kolpingtheater 2023

Überglückliches Publikum beim Kolpingtheater

Premiere von Frühlingserwachen eine Herausforderung für die Lachmuskeln


Der Saal im Gemeindehaus St. Peter war voll besetzt und nach dem langanhaltenden Schlussapplaus bei der Premierenvorstellung am Dreikönigsabend äußerten sich die Besucher gegenüber der SZ einhellig: „“Das war einfach toll“, „Wunderbar, dass sie nach den zwei Jahren Zwangspause wieder spielen“ und „Da merkt man erst, was einem so lange gefehlt hat“. Dass der Wiedereinstieg nach den Coronajahren so fulminant gelungen ist, gründet natürlich in der schauspielerischen Souveränität der acht Darsteller, aber auch im fundierten Wissen von Regisseur Ulrich Hörmann, der mit Frühlingserwachen von Regina Rösch ein Stück gewählt hat, das für sein Waldseer Publikum wie geschaffen ist.

Aus den Saallautsprechern quillt abwechselnd „Atemlos“ von Helene Fischer und „Highway to Hell“ von ACDC. Nicht nur musikalische Welten prallen aufeinander. Auch diametral konträre Lebensentwürfe treffen beim Frühlingserwachen aufeinander. Das Rösch dem Stück noch den Untertitel „Auf gute Nachbarschaft“ verpasst hat, zeigt schon auf, in welche Richtung die Geschichte geht. Die Ehepaare Irmi Dürr (Marion Metzler) mit Ernst-Wolfgang Dürr (Robert Amann) und Rosi Aumüller (Christine Auer) mit Hans-Peter Aumüller (Stefan Scheiter) praktizieren eine Paarbeziehung, die den heutigen Vorstellungen eines paritätischen Miteinanders nicht so ganz entspricht. Aufgaben- und Rollenverteilung sind klar. „Unsere Frauen hond nix selber zum entscheide“ erklärt der wortgewaltige Hans-Peter seinen neuen Nachbarn, und so soll es auch bleiben, „denn unserer Frauen haben 26 Jahre lang ganz prima gspurt“. Die neuen Nachbarn, das sind Friedhelm Bischoff (Robert Ettinger) und Klaus Mesner (Hans-Peter Rast) kämpfen zwar nicht an vorderster Front der Frauenbewegung, erschüttern aber mit ihrem Einzug in das Häuschen neben Aumüllers und Dürrs ganz gewaltig die Beschaulichkeit, die sich Hans-Peter und Ernst-Wolfgang zwischen Bürotätigkeit im Amt, Benokelabend und Ehefrauenverwöhnprogramm eingerichtet haben. Dass die Nachnamen Bischoff und Mesner als Berufsbezeichnung interpretiert werden, sorgt bereits im ersten Akt für turbulente Aufregung. Spätestens jedoch als die vermeintlichen Würdenträgern mit schweren Motorrädern in den Saal des Gemeindehauses donnern ist klar – kein frommer Bischoff mit taktvollem Messner, sondern zwei Rocker sorgen fortan für gute Nachbarschaft.

Rosi und Irmi stellen sich angesichts dieser beiden Kerle natürlich die Frage, ob es ihre Bestimmung ist, tagaus, tagein mit Pantoffeln und Strickjäckchen die von der Arbeit heimkehrenden Männer zu erwarten und die hypochondrisch ausufernden Wehwehchchen von Hans-Peter und die Launen von Ernst-Wolfgang zu lindern. Schon mehr als einen sehnsüchtigen Blick auf die beiden Rocker werfen Ulrike Baumann (Anna Sugg) und Margarete Henneberger (Yvonne Bachhofer), die stets in Rosa gekleideten und bestens informierten Dorfjungfern. Um die Gunst von Bischoff und Mesner mühen sich beide offensiv, während Irmi und Rosi heimlich von Ausfahrten als Motorradbräute träumen.

Muss man dem Schicksal nachhelfen? Kann man verhindern, dass einem die lieben Ehefrauen aus der häuslichen Komfortzone abservieren? Gibt es im Leben mehr als Motorrad, Alkohol und laute Rockmusik? Mit offenen Konflikten und Fragen begeben sich die acht Darsteller in den letzten und dritten Akt. Hier wird man auch noch erfahren, wer wessen Unterhosen wann und warum am städtischen Maibaum öffentlich exponiert hat.

Die schauspielerische Teamleistung als Ganzes bescherte zweieinhalbstündigen Dauereinsatz der Lachmuskulatur. Exemplarisch fällt der Blick auf den leicht zu cholerischen Ausfällen neigenden Hypochonder Hans-Peter. Er ist prägend für den Lauf der Geschichte, obwohl er sich nicht als Sympathieträger etabliert. Stefan Scheiter präsentiert in dieser Rolle schauspielerische Höchstleistung, sowohl im enormen Textpensum, wie auch in der Intensität der emotionalen Berg- und Talfahrt des Protagonisten Hans-Peter.

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