Passion Perfomance

Passion als Ermutigung erkennen

Beeindruckendes Gesamtkunstwerk mit Pantomime, Licht und Saxophon

veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom …

Am Abend des Palmsonntags kamen rund 250 Besucher in die Pfarr- und Wallfahrtskirche nach Reute. Die Hospizgruppe Bad Waldsee hatte, mit Unterstützung der Bürgerstiftung Bad Waldsee und der örtlichen Kirchengemeinde, zu einer außergewöhnlichen Veranstaltung geladen. Es war ein Einstieg in die heilige Woche, die Karwoche, der mit einer ungewohnten Intensität die Botschaft der Passion Christi veranschaulichte. Der Pantomime Christoph Gilsbach, der Saxophonist Frank Lienemann und das Team an der aufwändigen Lichttechnik nahmen die Besucher mit hinein, in die letzten Stunden Jesu Christi vor 2000 Jahren in Jerusalem.

Doch was hat diese alte Geschichte mit uns heute zu tun? Was ist das, was gemeinhin mit Passion Christi beschrieben wird? Der Duden weißt für Passion zwei verschiedene Bedeutungen nach. Zum einen die leidenschaftliche Hingabe an eine Sache, zum anderen eben die Leidensgeschichte Jesu. Gilsbach macht hier einen interessanten Schritt, zeigt auf, dass beide Bedeutungen verschmelzen und nennt seine szenische Performance „Ich bin Passion“. Mit dem “Ich“ im Titel holte er die Besucher mit herein und macht sie anstatt eines Beobachters zum Teilhaber. Dies begann bereits auf dem Weg in die Kirche, der die Besucher durch ein aufgemaltes Labyrinth auf dem Kirchenvorplatz führte. Im Innern der Kirche fällt sofort eine aufwändige Lichttechnik ins Auge. Kleine funkgesteuerte Lichtwürfel, genauso wie große Scheinwerfer werden in den nächsten 75 Minuten für eine effektvolle Illumination des Kirchenraums sorgen. Gilsbach erzählt, besser zeigt eine Geschichte. Vielleicht sind es auch zwei Geschichten, denn zu Beginn und am Schluss begleiteten die Besucher die beiden Emausjünger. Geschlagen von den Geschehnissen in Jerusalem waren diese auf dem Weg nach Emaus. Ihre Gedanken waren voll Sorgen und Zweifel. Belastende Gedanken, die Gilsbach mit Kreide auf schwarze Tafeln schreibt, die im Mittelgang der Kirche verteilt sind. Völlerei, Selbsthass, Völkermord, Überheblichkeit, Unzucht, Gewalt und viele andere negative Begriffe schrieb Gilsbach, hielt den Besuchern die Tafeln ins Angesicht und schmetterte sie auf den Boden. Szenenwechsel, die Nacht am Ölberg mit einem Jesus der von Zweifeln geplagt nach einem Ausweg sucht. In einer in tiefblaues Licht getauchten Kirche wurden dämonische Bildausschnitte aus dem Schaffenswerk des Hyronimus Bosch an die Wände projiziert. Szenen die in ihrer ikonischen Riesenhaftigkeit den Menschen bedrängen. Getrieben vom treibenden Saxophonspiel stolperte der Gefangene Jesus durch den Mittelgang bis zum Gericht vor dem Hohen Rat. Ein überaus nervöser Herzschlag war zu hören, während gleichzeitig die verleugnerischen und verletzenden Anschuldigungen von allen Seiten auf Jesu einstürzten und in einem „Angeklagter, was bilden Sie sich ein“ gipfelten. Zwischen den einzelnen Szenen war der Kirchenraum dunkel und hymnischer Chorgesang war zu hören – an dieser Stelle war es das Stück „Unruhig ist mein Herz“. Und wieder kam Gilsbach vom hinteren Ende der Kirche durch den Mittelgang. Es ist jetzt der Weg Jesu durch die Jerusalemer Altstadt zur Hinrichtungsstätte auf Golgatha. Es ist die Via Dolorosa. Sie ist gepflastert mit den Schuldbegriffen, die noch immer auf den schwarzen Tafeln liegen. Alle, wirklich alle sammelte Gilsbach auf und trug sie nach vorne. Es waren viele, die er zu schultern versuchte. Zu viele. Mehrfach stürzte er mitsamt den Schuldtafeln zu Boden. Versuche der Besucher zu helfen, versandeten in ohnmächtiger Hilfslosigkeit. Letztendlich stürzte Gilsbach ein letztes Mal auf den Stufen zum Altar – endgültig. Gerade war es noch die Erschöpfung unter der überbordenden Last, so war es in der nächsten Szene der innere Kampf Jesu im Angesicht des Todes, den Gilsbach veranschaulichte. Wild verwebte bunte Bänder ziehen sich wie die Gedanken durch den Chorraum bis sich Gilsbach derart verhedderte, dass Stillstand, ja dass Tod war. Es wäre ein bedrückendes Ende, wäre es die letzte Szene gewesen. War es aber nicht. Zunächst galt es noch die Leere und die Stille auszuhalten, aber als der Kirchenraum in rotes Licht gehüllt wurde, erklang neben dem klagenden Saxophon auch ein beschwingtes Piano. Ein letztes Mal schritt Gilsbach von hinten durch den Mittelgang und er suchte sich dieses mal zwei Begleiter. Eine Frau und ein Mann als Emausjünger. Erneut war man also auf dem Weg. Doch jetzt in Begleitung Jesu, der nun die Jünger begleitete, bei Ihnen blieb und mit Ihnen das Brot teilte. Ein versöhnlicher Moment, der noch potenziert wurde. Der Mann und die Frau bekamen die Aufgabe, das geteilte Brot in das Kirchenschiff zu tragen, wo es von Besucher zu Besucher weiter geteilt wurde – alles pantomimisch wohl gemerkt. Es gelang Gilsbach tatsächlich, dass man am Ende seiner ergreifenden Passionsperformance in durchweg glückliche Besuchergesichter blicken konnte. Ein kleines Wunder. Im Gespräch mit der SZ erklärte er, dass er Passion als Ermutigung sehe. Es gehe darum, dass Glück dahinter zu erkennen, das Göttliche im Menschen.

Für Christen besteht dies in der Erlösung der Menschen von ihrer Schuld durch Jesu Tod am Kreuz und seine Auferstehung. 

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