Erfahrungen bei der Umfrage zum Markenbildungsprozess
veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 19.11.2020
Bestsellerautor und Philosoph Richard David Precht ging mit seinem Buch „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ dem menschlichen Bewusstsein auf den Grund. Ganz ähnlich klingt es, wenn nun die Stadt Bad Waldsee im Zuge des Markenbildungsprozesses die Frage stellt „Wer sind wir eigentlich und was macht uns aus und besonders?“. Einem Wertesystem für die Marke Bad Waldsee soll so auf den Grund gegangen werden. Deshalb ist für fünf Wochen im Internet eine Umfrage eingestellt, an der sich jedermann beteiligen kann und sollte. Die SZ will es auch wissen und so war ich gerne bereit die 10-12 Minuten Zeit zu investieren, die für die Beantwortung der Fragen anvisiert wird. Die extra gestaltete Homepage ist auf allen Endgeräten nutzbar und mit dem Smartphone bin ich bereits nach einem Klick bei der ersten Frage. Es ist vielleicht die Gretchenfrage schlechthin, denn man möchte wissen, ob ich gerne in Bad Waldsee lebe. Für Lokalpatrioten ist das wohl keine Frage, aber alle anderen können wählen zwischen sehr gerne bis ungern und auch für Gäste und Berufspendler gibt es noch zwei Optionsfelder. Danach wird es anspruchsvoll, denn jetzt soll ich in eigenen Worten die drei wesentlichen Stärken und die drei wesentlichen Schwächen von Bad Waldsee formulieren. Da ich meinen Beitrag zur Markenbildung leisten möchte, muss ich hier doch etwas Gehirnschmalz investieren. Ich könnte natürlich einfach weiter klicken, denn im Gegensatz zu den meisten online-Formularen besitzt der Fragebogen keine Pflichtfelder – aber einfach nur weiter wäre eben nicht im Sinne des Erfinders. Seit der ersten Frage informiert mich am oberen Rand des Displays ein grüner Balken über den Bearbeitungsfortschritt und ich habe nun immerhin schon die 15% Marke erreicht. Jetzt wird es scheinbar einfacher, denn ich kann ankreuzen ob eine Eigenschaft für Bad Waldsee zutrifft oder eben nicht. Insgesamt 20 Begriffe von „gemütlich“ über „modern“, weiter zu „sicher“ bis zu „jugendfreundlich“ wollen bewertet werden. Es war dann doch nicht ganz so einfach hier die nächsten 5% zu erreichen. Als nächstes soll ich in eigenen Worten drei Dinge nennen, die besonders und typisch für Bad Waldsee sind. Spontan denke ich an die beiden Seen Stadtsee und Schloßsee mitten im Zentrum, die einzigartig sind und Bad Waldsee von anderen Städten unterscheidet. Aber was noch?
Die nächsten beiden Fragenblöcke sind interessant, da sie aufeinander aufbauen. Zunächst gibt es 17 Themen die für Bad Waldsee mit Schulnoten bewertet werden können. Danach kann ich dann für dieselben 17 Themen angeben, wie wichtig sie mir sind. Ein Beispiel: Die Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Bad Waldsee könnte ich angesichts der vorhandenen Betreuungsplätze und der aktuellen Investitionen in diese durchaus als gut bewerten, da ich mich aber gerade nicht um Kinder kümmern muss, ist das Thema für mich persönlich unwichtig. Ähnliche Gedankenexperimente stelle ich auch bei den anderen Aspekten an und stöhne danach ein bisschen, als der grüne Balken gerade einmal 35% anzeigt. Mit den zehn Minuten wird das wohl nichts. Weiter geht es mit Frageblöcken zur Innenstadt, zum Wohnraumangebot und zum Arbeitsplatzangebot. Nachdem ich als nächstes entschieden habe, dass Jugendzentren für mich als Treffpunkt nicht so wichtig sind, Konzerte und Musikveranstaltungen hingegen schon und die anderen neun Treffpunkte irgendwo dazwischen rangieren, wünscht der Fragesteller von mir drei Vorschläge, wie man das Kultur- und Freizeitangebot verbessern könnte. So langsam ist der Zeitpunkt erreicht, an dem es anstrengend wird und ich dazu neige, die Umfrage zu unterbrechen oder zu verlassen und die Antworten zu löschen. Beides Optionen, die einem übrigens von der ersten Frage an als Schaltflächen begleiten. Mit gutem Willen mache ich aber weiter und überlege mir dann auch noch einen Vorschlag zur Verbesserung der Lebensqualität in Bad Waldsee. Endlich, die finalen acht Thesen deuten das Ende der Umfrage an und ich kann entscheiden, ob ich den einzelnen Aussagen zustimme oder nicht. Mit statistischen Angaben zu meiner Person, zum Beispiel Altersgruppe 50-67, lassen sich die Antworten etwas differenzierter betrachten und die Umfrage ist zu Ende.
Es ist ein sehr breites Spektrum, dass mit dieser Umfrage erhoben wird und durch sinnvolle Kombination verschiedener Fragen und Antworten, lässt sich sicher ein Profil für Bad Waldsee ableiten. Aber das dürfte nur eingeschränkt repräsentativ sein, denn es werden nicht nur Jugendliche sein, denen die Analyse und Beantwortung der nüchternen Fragen arg aufwändig erscheint. Die in Aussicht gestellten 10-12 Minuten reichen auf jeden Fall nicht, nimmt man die Fragen ernst und macht sich Gedanken zum Inhalt. Das ist vermutlich die Krux an der Umfrage, denn die Sache verdient eigentlich eine hohe Beteiligung um belastbare Schlüsse zu ziehen.
Info:
An der Umfrage kann man noch bis 30.11.2020 unter der Adresse www.markenprozess-bad-waldsee.de teilnehmen. In der Bücherei und im Bürgerbüro gibt es auch gedruckte Exemplare der Umfrage, so dass eine Teilnahme auch ohne Internet möglich ist.
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