Denkfehler Energiewende

Energiewende nicht konsequent zu Ende gedacht

75 Besucher bei Informationsveranstaltung der Röschenwald

veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 04.08.2023

Im Dorfgemeinschaftshaus Tannweiler herrschte am Freitagabend lebhafter Andrang. Die Bürgerinitiative Lebensraum Röschenwald (BI) hatte zu einer Informationsveranstaltung geladen, die sich kritisch mit der in aller Munde befindlichen Energiewende auseinandersetzte. Gut 75 Besucher der Generation Ü50 strömten in den Saal, während sich die Fridays for future Generation von dem durchaus populären Zukunftsthema offensichtlich nicht angesprochen fühlte.

Es wurden noch zusätzliche Stühle herbeigeschafft und unter den Besuchern wurde bereits lebhaft diskutiert, als Bruno Friedmann, Vorsitzender der BI, den Referenten Friedrich-Thorsten Müller vom Netzwerk Naturschutz Allgäu-Oberschwaben vorstellte. Das Thema seines rund zweistündigen Vortrags war „Die Denkfehler der Energiewende“. Allseits bekannte Aspekte gegen Windparks in den heimischen Wäldern, also Artenschutz, Landschaftsbild, Flächenversiegelung oder Verlust von Erholungsräumen, erlangten an diesem Abend erst in den Wortbeiträgen der finalen Diskussionsrunde die Oberhand. Das von der BI gewählte Vortragsthema hingegen stützte sich, unabhängig vom lokalen Kirchturmdenken, auf Zahlen und Fakten, anhand derer Müller darlegte, dass unter dem Schlagwort „Energiewende“ sehr viele Maxime im Umlauf sind, die nicht konsequent zu Ende gedacht wurden. Eine Verifizierung der von Müller verwendeten Zahlen sprach der im Publikum anwesende Geschäftsführer der Windkraft Bodensee-Oberschwaben, Helmut Hertle aus. Friedmann dankte ihm ausdrücklich für sein Erscheinen und seine Bereitschaft sich an der lebhaften Schlussdiskussion zu beteiligen.

Müller, der sich selber als Betriebswirt und im Marketing tätig vorstellte, hatte akribisch Daten zusammengetragen, anhand derer er 12 Denkfehler in der politisch allseits beschworenen Energiewende aufzeigte. Sein anspruchsvoller Vortrag setzte allerdings ein gewisses energiepolitisches Grundwissen voraus, um seinen Ausführungen folgen zu können. Klimaerwärmung ja oder nein, darum gehe es nicht, die CO2 Diskussionen als Synonym für endliche Rohstoffressourcen und die zwingend resultierende Notwendigkeit für eine Decarbonisierung hingegen sind unumstößlich, so Müller. Die politisch deklarierte Energiewende, egal ob EU, Bund oder Land, agiere mit fixen Ausbauzielen für Wind- und Photovoltaikanlagen (PV) innerhalb kurzfristiger Zeiträume. In letzter Konsequenz resultieren daraus auch die geplanten Windkraftstandorte im Kreis Ravensburg. Worin aber liegt der Denkfehler? Allein die Tatsache, dass Windräder nicht nur an windoptimalen Standorten geplant werden, sei es nicht. Denn beim Begriff Energiewende denkt man auch an PV-Anlagen, Ansätze zur Energiespeicherung und Nutzung von Wasserstofftechnologie. Der Denkfehler liege darin, dass Stromwende mit Energiewende gleichgesetzt werde. Zwar würden heute bereits knapp 50% des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen, vom Gesamtenergiebedarf in Deutschland sind das aber gerade einmal 17,2%. Bei 100% Strom aus regenerativen Energien müssten die restlichen 2/3 des Energieverbrauchs durch Einsparungen erbracht werden. Die mögliche Substitution fossiler Energie durch elektrische Energie würde konsequenterweise ein Mehrbedarf an Strom aus regenerativen Energien bedeuten. Diese stehen aber nur periodisch zur Verfügung. Im Winter scheine wenig Sonne, der Wind blase nicht immer und überall. Die Deckungslücken in der Stromversorgung könnten zwar durch konventionelle Kraftwerke (Gas/Öl/Kohle) geschlossen werden. Dazu wird es aber erforderlich sein, diese in ständiger Bereitschaft zu halten und vor allem – bei mehr Stromanteil am Energiesektor wären auch deutlich mehr dieser „Backup Kraftwerke“ erforderlich, so Müller. Die Speicherung der periodisch anfallenden Überschüsse regenerativer Energien in Autobatterien und Wasserstoffspeichern seien laut Müller ein weiterer Denkfehler. Für den Energiebedarf der Industrie – beispielhaft nannte Müller die chemische Industrie – sind die individuell verwalteten Autobatterien nutzlos und die Elektrolyse und Speicherung von Wasserstoff verursache enorme Kosten. Viele Betrachtungen von Denkfehlern der Energiewende waren betriebswirtschaftlich geprägt. Müller sieht die Kaufkraft der Leute in Gefahr. Man kann das Geld nur einmal ausgeben und nicht alles gleichzeitig machen. Das gelte für den Staat und für die Privatperson. Als Resümee fordert Müller, nicht nur zu schauen, was theoretisch technisch machbar ist, sondern auch die Frage zu stellen, ob es bezahlbar ist und falls nicht, ob es bezahlbare Alternativen gebe.

Im Anschluss an den Vortrag wurde unter der Moderation von Friedmann lebhaft diskutiert. Nach weiteren 60 Minuten lautete dann der letzte Redebeitrag aus dem Publikum „Die schlechteste Option ist nichts zu machen“.

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